Interview Katrin De Guia Teil 3: "Turumba" und "Memories of Over-Development"

 

Frage: Was war Dein Beitrag zu den beiden anderen Filmen, die noch in Deutschland entstanden sind, „Who invented the Yo-Yo? Who invented the Moon Buggy?“ und „Turumba“?

 

Antwort: Den Yo-Yo-Film habe ich eigentlich viel später erst verstanden. Das war die Zeit, als es mir mit der Filmemacherei wirklich gereicht hat, und darum hatte ich auch keine Lust mitzuspielen. Er hat bei dem Dreh unseren Sohn Kidlat ohne Jacke und Mütze raus geschickt und ewig lang rumlaufen lassen. Ich war stinksauer. Das sieht man ja auch im Film. Er hat das ignoriert, so wie er alles ignoriert, so wie Kälte und Hunger oder was auch immer. Er kann alles ignorieren. Diesen Film hat er auch erst viel später fertig gestellt. An dem Punkt hat es mir einfach gereicht. Er sollte lieber Holz hacken statt einen blöden Film zu machen. Zu dem Film habe ich also nicht viel beigetragen, und trotzdem wurde der mein Lieblingsfilm.

 

Frage: Ärgert Dich das heute immer noch?

 

Antwort: Überhaupt nicht. Ganz und gar nicht. Ich glaube, dass ich dazu beigetragen habe, in Kidlat Tahimik ein Bewusstsein dafür zu erwecken, wer er wirklich ist. Kidlats Familie kam ja ursprünglich aus Pangasinan, aus einer Provinz am Fuß der Berge. Da gibt es unglaublich viele Heiler und Gläubige, Gläubige im Sinn von Sehern. Die wollten keine spanische Kolonie werden. Sie wurden von der spanischen Armeen vor sich her geschoben, bis nach Pangasinan, eine Provinz am Rande der Cordillieras. Und da gibt es heute noch die meisten Wunderheiler. Das hat sich da irgendwie gehalten. Die spanischen Armeen sind nie in die Berge gegangen. Wenn die Spanier kamen, sind sie in die Berge hoch, und kamen wieder zurück, wenn die Spanier weg waren. Von dieser Pangasinan Verwandtschaft, das ist meine Theorie, hat er wahrscheinlich auch viele Gene.Meine Schwiegermutter hatte das. Wenn man sie gehen sieht, als ob sie nie den Grund richtig berührt. Sie war irgendwie so leicht. Ich hab sie auch mal darauf angesprochen. Sie sagte, sie geht zwar in die Kirche. Aber viel wichtiger ist ihr, dass sie jeden Tag mit Gott redet. Sie hatte das, in einer stillen Art und Weise. Da war nichts, was sie nicht schaffen konnte. Sie hatte Magie, irgendwo. Sie hat den Jeepney im Taifun Gloria auf das Boot gekriegt. Wie sie es gemacht und wie sie die Genehmigung bekommen hat und die Leute überredet hat, während dem Taifun diesen Jeepney noch auf das Boot zu kriegen also das war... Das war der Taifun, nach dem in den Philippinen das Kriegsrecht verhängt wurde... Und es gibt da ganz viele Momente.

 

Frage: Was für ein Jeepney? Der aus Perfumed Nightmare?

 

Antwort: Ja, genau der. Der musst ja zu den Olympischen Spielen nach Deutschland. Er flog ja nicht.

 

Frage: Ich habe das immer so verstanden, dass dieser Jeepney ein Begrüßungsgeschenk der olympischen Mannschaft für Deutschland gewesen ist.

 

Antwort: Ja. Der Jeepney wurde von der Familie gebaut oder gekauft, von Eric. Er hatte ja Geld. Er hatte ja bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Arbeit. So hat er den Jeepney rüber nach Deutschland bringen konnte. Dafür hat er die olympische Mannschaft rumgefahren, so als touristisches Dingens. Aber er wurde von seiner Familie gebaut.

 

Frage: Auch mit der Intention, dass der Jeepney in Deutschland in einem Film eine Rolle spielt?

 

Antwort: Nein, nur als sein Auto und als Verkaufswagen, als Attraktion. Er wollte ja nicht in Deutschland bleiben. Ein Jahr hatte der Jeepney Fahrerlaubnis. Als der TÜV zum ersten Mal die Motorhaube aufgemacht haben, war da drin eine Pumpenmaschine und die Kabel waren nicht blau und rot, sondern alle schwarz. Die Deutschen haben ihn wieder zu gemacht und gesagt, damit könnten sie nichts anfangen. Der Werner Herzog wollte den ja herrichten, so dass er fahren kann. Er hat es nicht geschafft. Das wäre zu schwierig gewesen.

 

Frage: Dieser Jeepney war praktisch nur ein Jahr in Betrieb?

 

Antwort: Und dann hat er noch ein Jahr Extension bekommen. Danach war es aus.

 

Frage: Was ist aus dem geworden?

 

Antwort: Den hat Werner Herzog gekauft. Und damit hat der Kidlat Tahimik seinen ersten Film für 10.000 Mark gedreht, das war das Produktionsgeld. Herzog dachte, das ist ein coole Angelegenheit. Das richte ich mir jetzt für europäische Straßen her. Das war aber nicht möglich.

 

Frage: Werner Herzog scheint für Kidlat eine unheimlich wichtige Rolle gespielt zu haben. War das ein Freund? War das jemand, der da irgendwie 2 oder 3 große, wichtige Auftritte, Gastauftritte im Leben von Kidlat hatte?

 

Antwort: Das habe ich nur gehört, da war ich nicht dabei. Der Werner Penzel hat das erzählt. Als der Werner Herzog den Kidlat zum ersten Mal gesehen hat, da hat er ihn angeschaut und ihn dann in Arme genommen und einmal um den Kreis gewirbelt. Von Anfang an, war da einfach eine Sympathie für Kidlat Tahimik. Er hat sich immer wieder den Film angeschaut. Da ist er auch zu mir mitgekommen und hat gesagt: "Das schafft er nie bis zu Deinem Geburtstag. Du musst ihm mehr Zeit geben." Werner Herzog hat mir damals mehr geglaubt als Kidlat Tahimik, der immer sagt: "Ja, noch zwei Wochen, noch drei Wochen. Ich bin fast fertig." Das waren total witzige Geschichten. Werner Herzog war so gönnerhaft. Der mag ja alle Möglichen. Was ungewöhnlich ist, gefällt ihm. Wir haben ihn irgendwo in Amerika getroffen. Auch jetzt noch, jedes Mal wenn er ihn sieht: "Ahh Kidlat." Und umarmt ihn noch immer. Er hat ja jetzt eine russische Frau und wohnt in Hollywood. Die russische Frau ist ein paar Grad kälter als der urwüchsige Werner Herzog.

 

Vielleicht wisst Ihr das auch nicht, dass Kidlats Mutter philippinisches Ketten und Muschellampen nach Frankreich exportiert hat. Da hatte sie einen Abnehmer. Und auf diesem Weg hat sie zum Teil auch uns dann immer was zu Essen geschickt, damit ihr Sohn wieder was zum Abendessen hat. Sie war eine rührende Frau. Sie hat uns, weil wir kein Geschirr hatten - damals gab es noch nicht so viele Second-Hand-Läden - ein ganzes, neues Set Geschirr von den Philippinen nach München geschickt.

 

Unser Essen kam ja von meiner Sozialhilfe. Irgendwann waren die 10.000 Mark auch aus, in der Postproduction und da hatte er am Schluss nur noch diese Muschellampen gehabt und hat das letzte bisschen Schneideraum mit seinen Muschellampen bezahlt. Ich sehe noch das Gesicht von dem Typen, damit hat er nicht gerechnet. Aber besser als Garnichts.

 

Frage: Der Mythos ist doch, `Perfumed Nightmare“ sei in der Hochschule für Film und Fersehen in Nachtsession geschnitten worden.

 

Antwort: Nee, das war vielleicht ein Jahr, bis die Typen fertig waren. Der Hartmut, der Werner, die Rotraut Kühn, die waren ja alle danach keine Studenten mehr. Die waren keine Studenten mehr, die ihn da nachts hätten einschleusen können. Die mussten sich ja eintragen. Und danach hat er beim H.P. Meier geschnitten. Der H.P. Meier ist ein Freund von meinem Bruder, der auch am Ammersee, an diesem Wochenendhaus, wo mein Bruder jetzt wohnt, da hat der H.P. auch gewohnt. Wir kennen ihn vom Segeln. Der hatte einen Schneideraum in München, war auch ein Filmemacher. Der hat ihn da ein halbes Jahr schneiden lassen.

 

Dann ging es weiter bei Charlie Fugunt. Dessen Schneideraum hat ja auch geraucht. Der hat die „Sendung mit der Maus“ gemacht. Da war auch nicht viel Zeit. Am Schluss hat Charlie noch jemand anderen in Grünewald vermittelt. Das war richtig kommerziell, und da wurde der Film fertig gestellt.

 

 

Frage: Besonders wichtig scheint mir Dein Beitrag zu dem nicht vollendete Magellan-Film „Memories of Overdevelopment“ zu sein. Kannst Du von dieser Produktion erzählen? Für diesen Film sind ja richtige Kulissen gebaut worden...

 

Antwort: Wir lebten sozusagen in diesen Kulissen. Wo wir gewohnt haben, hat es immer irgendwie so ausgeschaut. Das war alles improvisiert. Dieser Jazzkeller, die Baguio Arts Guild, diese Künstlergruppe. Briccio Santos hatte dann ein Cafè, dass dann auch wieder so ein Zentrum wurde. Es gab in Baguio nie ein Mangel an Leuten, die innerhalb von zwei Stunden ein völliges Set improvisiert haben, ohne Nägel, irgendwie zusammen gebunden. Meine Schwiegermutter hatte eine Fundgrube an Stoffen und Ohrringen und Schmuckstücken. Sie war ja Bürgermeisterin und musste dauernd irgendwas an sich rumtragen. Das wurde alles verwendet.

 

Die Stoffe stammten von einer Weberin in Baguio, die indigene Materialien benutzt. Ich bin auf den Flohmarkt gegangen und habe jede Menge Seide und Tüll und was es so gegeben hat, gekauft. Und meine eigenen Sachen, meine Sammlung aus Europa, das floss alles in den Film. Da hat Eric mir immer am Abend gesagt: "Morgen brauchen wir so ein Kostüm. Kannst Du das über Nacht nähen?" Und ich war ja mal auf der Meisterschule für Mode, und habe das immer über Nacht angefertigt. Das hat auch Spaß gemacht. Das war eine Kunstszene des Improvisierens und Experimentierens, wie es Ende der 60er Jahre in München war. In den Philippinen ging es da einfach weiter. Das hat viel Spaß gemacht. In dem Sinn habe ich sehr viel auch mit zu dem Film beigetragen.

 

Frage: Der Magellan-Film war ja der letzte Versuch noch so einen richtigen Film zu machen. Und danach ist ja dann sozusagen das Familienleben das Werk. Das ist natürlich aufgeladen mit historischer, zeitgeschichtlicher Bedeutung. Aber nichts desto trotz, ist ja diese Familie, die ja auch Deine Familie ist und zu der Du ja auch gehörst, zum Hauptthema der Filme geworden. Wie findest Du das eigentlich, dass Du da so ein Drehbuchgenerator bist? Zumal Kidlat gesagt hat, Du seist kamerascheu. Das hätte ich jetzt nicht gedacht, denn Du tauchst ja in den Filmen auf.

 

Antwort: Ich flitze da schon immer irgendwo in irgendwelchen Cameo-Rolle durch. Außer in dem Magellan-Film, weil ich das dann schon wieder sehr faszinierend und ganz richtig fand. Ich konnte dem Gedankengang folgen, dass nämlich die westliche Kultur alles nur für sich beansprucht und überhaupt nichts an die Kulturen abgibt. Dabei sind die Armen in den Philippinen viel kultivierter als wir. Wenn die ein Hähnchen essen, nehmen sie ein kleines Stück und schauen es sich an, riechen daran und knabbern dann ganz langsam ein kleines Häppchen ab. Es gibt viel mehr Toleranz, man muss dem anderen nicht dauernd rein reden oder gleich eines auf dem Kopf geben. Das finde ich kultiviert.